Warum sollte man Julius Evola heute noch lesen? Die meisten der heutigen Kritiker der herrschenden Zustände gehen davon aus, dass nur die bösen Clowns auf der heutigen politischen Bühne beseitigt, die Institutionen geschleift werden müssen – „Merkel muss weg!“ -, und alles wieder gut wird. Sie verkennen aber, dass diese gegenwärtigen Zustände ein Produkt unserer Eigenschaften sind – der individuellen wie der kollektiven. Und solange wir uns nicht grundlegend verändern, solange werden diese Krisen wieder kommen, in dieser oder jener Gestalt, gewiss mit einem anderen Personal – die Probleme aber, die bleiben die gleichen.
Selbst in den metapolitischen Auseinandersetzungen wird die Notwendigkeit einer grundlegenden geistigen Veränderung im Innern eines jeden Menschen – es geht hier nicht um die Erschaffung eines Neuen Menschen, wohlgemerkt! – als Voraussetzung für den erfolgreichen politischen Kampf viel zu schwach betont, von der praktischen Tagespolitik ganz zu schweigen. Diese Lücke schließt Evola, indem er die Konzentration auf eine ernsthafte theoretische Vorbereitung der wahren – ethischen, spirituellen – Revolution in den Vordergrund stellt und den bloßen Aktionismus verwirft, der auf schnelle, billige Effekte aus ist, die doch noch schneller verpuffen, ohne auch die flachsten Spuren zu hinterlassen. Worum es dem italienischen Kulturphilosophen geht, sind nicht Parteiprogramme und -strategien, sondern »eine stille Revolution, die in die Tiefe geht, damit zuerst im Inneren und im einzelnen die Voraussetzungen zu jener Ordnung geschaffen werden, die sich im richtigen Augenblick auch außen behaupten wird, indem sie mit Blitzesschnelle die Formen und Kräfte einer verfallenden und korrupten Welt ersetzt.«.
Der Geschichtsphilosoph Evola ist schon aus diesem Grund lesenswert, aber auch, weil er heute dringend gebraucht wird als Gegengewicht in einer öffentlichen Diskussion, in der die linken, sozialistischen Tendenzen und damit die Macht des Materiellen dermaßen dominieren; mit Evolas Worten: »Es ist der Bürger, der es allmählich dazu gebracht hat, daß heute ein Anspruch als das natürlichste Ding von der Welt erscheint, der in anderen – normalen – Zeiten als absurde Häresie gegolten hätte: daß nämlich die Wirtschaft unser Schicksal ist, der Gewinn unser Lebenszweck, das Feilschen und Handeln ein >Tun< und die Umrechnung jedes Wertes in die Begriffe des >Rentierens<, der prosperity, des Komforts, in Werte der Spekulation, von Angebot und Nachfrage das Wesen unserer Zivilisation ausmacht…« Wenn das schon vor ein hundert Jahren gegolten hat, um wieviel mehr heute in den Zeiten des Globalismus! (more…)