Willanders – Rechts vor Links

17. April 2010

Kindesmissbrauch? Wie wäre’s mit Abtreibung, ihr Heuchler!

Pro Jahr werden in Deutschland knapp 15.000 Fälle von Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Laut Prof. Kröber, Kriminalpsychologe an der Charite, wurden in den Jahren 1995 bis 2009 genau 94 Fälle im Umfeld katholischer Einrichtungen angezeigt. Das sind etwa sechs pro Jahr oder 0,0004 aller Fälle! Der Verweis auf die Dunkelziffer verschlimmert den Prozentsatz mitnichten, denn die Dunkelziffer bei in familiären Umfeld begangenen Taten ist vermutlich noch höher als die in katholischen Einrichtungen.

Selbstverständlich ist jeder einzelne Fall einer zuviel, aber die mediale Darstellung kehrt das Schuldzuweisungsverhältnis kurzerhand um: fast alles gegen die katholische Kirche, der Rest geht sauber aus der Sache raus. Der deutsche Medienkonsument wird gezielt getäuscht, belogen und aufgehetzt. Erschütternd für mich ist es wiederholt zu beobachten, dass er die Wahrheitsbeugung nicht nur nicht bemerkt, sondern sogar mit der gleichen Begeisterung auf diesen Zug aufspringt, wie er es unter den Nazis auch getan hat. Die vielen Jahre an einer bundesdeutschen Schule tragen augenscheinlich bei den meisten Absolventen weder zur Ausbildung einer Kritikfähigkeit bei noch lehren sie die Schüler selbständiges Denken.

Noch werden Kirchen und das Geburtshaus des Papstes „nur“ geschändet und brennen nicht, aber wenn man die primitiven wie hasserfüllten Statements des Pöbels auf den Internetseiten unserer „Qualitätsmedien“ studiert, dann gewinnt man den Eindruck, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Wie so oft in der Vergangenheit geschehen, werden die geistigen Brandstifter in Politik und Medien dann natürlich öffentlich ihre Hände in Unschuld waschen, und ein Stück weit traurig und ganz doll betroffen sein. Sie werden in die Kameras Erschütterung heucheln und sich heimlich ins Fäustchen lachen über den einfältigen deutschen Michel, der so prompt ihre Geschäfte besorgt. Diesmal ist die Katholische Kirche ihr Ziel, und wer das nächste Mal?

Schon aus Gründen des Selbstschutzes möchte man den Rotsocken-Bütteln in Medien, Politik und Institutionen zurufen: „Fasst euch an die eigene Nase, ihr Heuchler!“

In  „Die Neue Ordnung“ (Nr. 2/2010, April, 64. Jahrgang) erschien ein Beitrag von Wolfgang Ockenfels, der sich über den gleichen Skandal ebenfalls empört.

Ein Kampf um Rom

Wie auf Kommando, mit lüsternem Interesse und selbstgefälliger Empörung fallen Medien massenhaft über die katholische Kirche her. Dabei rennen sie offene Türen ein, denn das kirchliche Mea culpa ist ihnen zuvorgekommen: Das Bekenntnis eigener Schuld gehört schließlich zum Ritus jeder heiligen Messe und jeder Beichte. Deshalb eignen sich Mitglieder und Priester der Kirche besonders gut als Sündenböcke. Zum Ritual erstarrt ist inzwischen die Beschuldigung „der“ Kirche, worunter vor allem die katholische gemeint ist. Deren Schuld ins Unermeßliche zu treiben und als Kollektivschuldvorwurf auf „die Kirche“ zu richten, gehört zum standardisierten Verdacht jedes aufgeklärten Journalisten, dem die öffentliche Hinrichtung der Kirche, besonders des Papstes, seit der Französischen Revolution ein Herzensanliegen ist. „

Ich bin gar nicht neugierig – ich will bloß alles wissen“, bekannte Kurt Tucholsky. Mit ihm wird man fragen dürfen, ob sich die medialen und politischen Repräsentanten der heutigen Aufklärung an die selbstbestimmten Vernunft- und Moralprinzipien halten – und was sie von einer vorurteilslosen Transparenz halten. Und man möchte bloß mal wissen, welchen Anteil die heute tonangebenden Moralvermittlungsagenturen an den schweren Sünden und kriminellen Verbrechen des sexuellen Kindesmißbrauchs haben. Aber schon diese Frage gilt als unanständiges Ablenkungs- und Vertuschungsmanöver, als Versuch der eigenen Entschuldigung. Weshalb „die Kirche“ sich lieber dem öffentlichen Druck demütig beugt und permanent Entschuldigungen murmelt. Die ewigen Widerholungen der Entschuldigungen macht sie freilich nicht glaubwürdiger. Vor allem dann nicht, wenn die tatsächlichen und vermeintlichen Täter längst senil oder verstorben, die Taten Jahrzehnte zurückliegen und verjährt sind, und den wirklichen Opfern kaum mehr durch Entschädigungen zu helfen ist. Besonders tragisch wird es, wenn sich herausstellt, daß die Täter früher selber Opfer geworden sind.

Aus Gründen der Gerechtigkeit möchte ich aber endlich wissen, wie viele Journalisten und Politiker, Regisseure und Literaten, Familienväter, Singles, Zölibatäre und Homosexuelle, beamtete und reformpädagogische Lehrer, protestantische und muslimische Erzieher, Musik- und Sporttrainer an diesen „verabscheuungswürdigen Verbrechen“, von denen die Bundeskanzlerin im Parlament sprach, beteiligt sind. Das wird sich doch hoffentlich bald am „Runden Tisch“ erweisen lassen. Jedes Verbrechen ist übrigens verabscheuungswürdig, besonders das der Tötung von ungeborenen Kindern, die zur gentechnischen Vernutzung mißbraucht werden. Aber davon darf jetzt keine Rede mehr sein.

Wie verabscheuungswürdig das Verbrechen des sexuellen Kindesmißbrauchs ist, darauf hatte vor allem die katholische Morallehre hingewiesen, die darin ein „intrinsice malum“, also etwas „in sich Böses“ erblickte. Auch wenn einige modern- aufgeklärte Moraltheologen von dieser Lehre abwichen – zugunsten einer „autonomen“ und individuell-relativistischen Moral, galt das moralische Prinzip innerhalb der katholischen Kirche nach wie vor. Deshalb kann man nicht oft genug tautologisch betonen, daß der Widerspruch, besonders die Widerhandlung gegen dieses Prinzip, eben gegen dieses prinzipielle Verbot verstößt. Ich bin es inzwischen leid, immer wieder zu wiederholen, daß dieses Verbot leider nicht generell praktisch befolgt, sondern immer wieder übertreten wurde. Und daß auch die Kirchenzucht im Rahmen des kirchlichen Strafrechts leider oftmals versagt hat. Auch innerkirchlich brauchen wir eine strengere Sozialkontrolle und die Abschreckungswirkung des kirchlichen Strafrechts.

Mit dem Prinzip „Gnade vor Recht“ und den Beschwörungen des Liebesgebots ist es nicht getan. Wer sich selber einen Heiligenschein moralischer Unschuld aufsetzt, wie es die Medienvertreter zur Zeit betreiben, zieht sich den Vorwurf der Scheinheiligkeit zu. Der altkluge Hinweis indes, die Kirche sei im Verhalten ihres Personals „nicht unfehlbar“, ist müßig, weil evident. Er berührt nicht den dogmatischen Unfehlbarkeitsanspruch, wohl aber die moralische Glaubwürdigkeit. Das ist tragisch für das Ansehen einer Institution, deren moralischer Anspruch die gelebte Wirklichkeit übersteigt. Tragisch übrigens für jede Institution, deren hoher Anspruch die miserable Wirklichkeit zu korrigieren versucht.

Die Vorwürfe des Kindesmißbrauchs zielen besonders auf die katholische Kirche, treffen aber nicht weniger die anderen konfessionellen, gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungseinrichtungen. Die vorliegende Kriminalstatistik belehrt uns, wie wenig die Gesellschaft Jesu – und wie stark die Gesellschaft insgesamt in diese Schande verstrickt ist. Daß nun gerade katholische Erzieher moralisch diskreditiert, in Sippenhaft genommen und weichgeklopft werden sollen, hängt mit einer Aufklärung zusammen, die nichts mehr mit Transparenz oder Gerechtigkeit zu tun hat. Zur Diskreditierung der Kirche hat man sie schon in früheren Zeiten an ihren offenen und weichen Flanken angegriffen. Sex und Geld haben sich seit jeher als geeignete Stichwörter erwiesen, mit denen man die Kirche aufspießen kann. Das wußte vor allem das kirchenfeindliche NS-Regime zu nutzen, als es nach 1936 eine Serie von Sittlichkeits- und Devisenprozessen gegen Priester inszenierte.

Kürzlich redete ein Politiker, der es besser wissen müßte, von „spätrömischer Dekadenz“ und meinte damit die Nutznießer des Sozialstaats. Mit Blick auf die dekadente Spätphase der griechischen und römischen Antike wäre es freilich zutreffender gewesen, auf die damals grassierende, literarisch verklärte Pädophilie hinzuweisen. Und daran zu erinnern, daß es vor allem die Kirche war, die mit dem sexuellen Mißbrauch von Kindern aufräumte. Das rechtliche Mißbrauchsverbot bedarf nach wie vor der moralischen Absicherung seitens der Kirchen. Besonders von ihnen erwarten wir Widerstand gegen die massenmediale Verführung von Minderjährigen, gegen kinderpornographische Angebote und Lolita-Verklärungen. Wie hießen doch noch die grün-liberalen Verteidiger dieser Unsitten in den 68er Jahren? Cohn-Bendit ist jetzt peinlich berührt, die damaligen Enttabuisierer sind abgetaucht – und suchen fleißig nach Sündenböcken.

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